Das Programm „mündlich“ bestreiten Matthias Egersdörfer und Heinrich Filsner. Es heißt deshalb „mündlich“, weil der eine spricht und der andere in eine stattliche Tuba bläst. Das Programm sieht so aus: Egersdörfer erzählt Geschichten und dazwischen spielt Filsner auf seiner Tuba. Egersdörfer redet mal oder weniger übersteuert, und Filsner hat sein Instrument an einen Looper angeschlossen, der allerlei Effekte beherrscht, die der Musikant aufs Trefflichste aus dem Elektrokasten zu locken und zum Publikum zu lenken vermag. Auf seiner Tuba spielt er vorzüglich, – auch Eigenkompositionen. Aber über die macht sich sein rotbehemdeter Bühnenkollege mit bösen Spitzfindigkeiten lustig, so dass dem Tubisten nicht nur Mitleid, sondern zu Recht auch die Sympathien des Publikums entgegenfliegen. Dessen Beziehung zu Egersdörfer muss dagegen als gespalten betrachtet werden. Und das liegt an den Geschichten, die er erzählt. Zunächst bieten sie eine alltägliche Rahmenhandlung, die aus Erlebnissen der Kindheit, der Jugend oder dem seit geraumer Zeit erreichten Erwachsenenalter schöpfen. Meist dauert es aber nicht lange und Egersdörfer schlägt mit einer wunderlichen Machete Schneisen, ja ganze Autobahnen ins Phantastische hinein. Bei der Nutzung eines Navigationssystems kann es durchaus zu der Erkenntnis kommen, dass sich zwischen der weiblichen Stimme und dem Fahrer ein Verhältnis „gegenseitigen Ernstnehmens“ einstellt, wie es mit einer echten Frau praktisch nicht möglich ist. Sie führt den Frischverliebten in eine Welt, wo Häschen rammelnde Bollen bilden, während ihnen beim ein- und ausatmen Renaissancemusik entströmt. Und wer hätte gedacht, dass im bauhaus auch Berghütten und Arschgeweihe entwickelt wurden. Es geht aber auch um existenzielle Themen wie Langeweile. Die kann im kindlichen Organismus ziemlich spontan beim Einfahren in den Wendehammer einer Reihenhaussiedlung entstehen, wenn das Ziel ein Haus ist, wo es Bricketkuchen und manch anderes Übel gibt. Warum Klein-Egersdörfer nach solchen durch seine Erziehungsberechtigen verursachten Besuchen auf den Dachgepäckträger geschnallt wurde, erfährt man auf dieser grandiosen CD. Außerdem erfährt man, was ein Fadenfachmann alles können muss, wo man Knopf studieren kann, weshalb man beim Shopping eine Vesper dabei haben sollte, wie lange Händeschütteln dauern kann, dass Egersdörfer unter Umständen silberne Leggins kaufen würde, dass Dany plus Sahne die Menschen in zwei Gruppen teilt, was eine Vermengungsdrüse ist und ob Matthias Egersdörfer die Triangel beherrscht.
Audio-CD, 70 Minuten
Hörkunst bei Kunstmann, 2011